Donnerstag, 10. Mai 2012

Kritik zu "Gender Studies" von Bettina Rheims

Am 9. Mai habe ich mir die Ausstellung "Gender Studies" von Bettina Rheims im NRW-Forum Düsseldorf angesehen. Ich bin mit zwiespältigen Gefühlen hinein und genauso wieder heraus gegangen.

Wie die Ausstellung entstanden ist, schildert Bettina Rheims selber. Ich habe ihren Text weiter unten wieder gegeben.

Sehen
Ich habe mich so lange in der "Installation", dem unten beschriebenen quadratischen Raum aufgehalten, dass ich schon mißtrauisch von dem Aufsichtspersonal beäugt wurde.

Ich wollte mir Zeit lassen, feststellen, ob mich die Ausstellung nicht doch noch berührt, herausfinden, ob ich im ersten, zweiten oder dritten Betrachten etwas übersehen hatte, das mir für das Verständnis fehlt. Denn was sah ich? Kühl blickende, in glamourös zerfetzten Lumpen inszenierte Menschen, deren Gesichter wie Masken wirken. Ein Junge mit einem geschminktem und einem ungeschminktem Auge, Körper, deren geschlechtliche Merkmale so verdeckt sind, dass sie gerade offensichtlich werden und den voyeuristischen Blick anziehen. Weiß, sehr viel weiß. Und wieder einmal die Dominanz einer Mager-Ästhetik, mit wenigen Ausnahmen. Oder soll dies Empfindsamkeit symbolisieren?

Fotos vom Ausstellungsraum gibt es hier zu sehen.

Hören
Bewegt man sich im Ausstellungsraum, so hört man aus den in den 4 Ecken positionierten Lautsprechern die Menschen in verschiedenen Sprachen von sich erzählen, manchmal überlagern sie sich ein wenig, meist jedoch folgt auf den einen der nächste Satz, ohne akustische Überschneidung. Hypnotisch? Nein, was soll daran hypnotisch sein? Bin ich in einer Kneipe hypnotisiert, in der vielen Menschen durcheinander sprechen?
In der Mitte des Raumes vereinen sich diese Stimmen keineswegs "zur Stimme des dritten Geschlechts", man hört natürlich nach wie vor die einzelnen Stimmen.

Fazit
Insgesamt scheint mir die ausführliche Erklärung der Künstlerin der Ausstellung mehr Sinn verschaffen zu wollen, als sich dieser dann wirklich erschließen läst. Bettina Rheims ist anzurechnen, dass sie sich als Fotografin mal wieder eines Themas angenommen hat, dass sonst nicht allzu viel Beachtung findet, dass sie sich erneut in ihrer Arbeit dem Durchbrechen stereotyper Vorstellungen widmet. Zugleich ist sie aber ihrer beruflich geprägten Ästhetisierung des Menschen als schmückendes Objekt so verhaftet, dass die Subjekthaftigkeit selbst solch' ungewönlicher Individuen gefährdet ist.


Bettina Rheims erzählt

"Geschlechterstudien
 oder wie dieses Projekt zustande kam"


"Vor über einem Jahr fragte das „Candy-Magazine“, eine jährliche Publikation zu Transsexualität und Travestie, bei uns an, ob wir nach 20 Jahren nicht noch einmal die „Modern Lovers“ und „Les Espionnes“ veröffentlichen wollten – Arbeiten über Androgynie und Transgender, die in den schlimmsten Zeiten von AIDS fotografiert wurden.

Stattdessen brachte mich das auf die Idee zu untersuchen, ob sich seit den Achtzigern etwas geändert hat in der Welt der Geschlechter.

Wir legten ein Profil bei Facebook an, in dem wir ein paar dieser frühen Bilder veröffentlichten (darunter das erste, das überhaupt von Kate Moss geschossen wurde) und alle, die sich „anders“ fühlen, dazu aufforderten, mit dem Studio Kontakt aufzunehmen. Ich „skypte“ mit jungen Leuten in der ganzen Welt, und sie erzählten mir die schönsten Geschichten über ihr Leben.

Es war nichts Mitleiderregendes oder Trauriges in ihren Geschichten, nur das Gefühl, anders zu sein. Viele von ihnen wussten schon als Kind, dass sie im falschen Körper geboren wurden, und hatten beschlossen, oft mit Hilfe ihrer Eltern, diesen Fehler korrigieren zu lassen. Doch für mich völlig neu waren diejenigen, die nicht zwischen den beiden Optionen wählen wollten und sich für beide Identitäten entschieden hatten. Je nach Tag, Stimmung; warum nicht alles haben? – In Australien bekam jemand letzten Herbst zum ersten Mal den Eintrag „X“ in seinen/ihren Pass, mit dem zum allerersten Mal die Existenz eines „dritten Geschlechts“ anerkannt wurde – Als wir „skypten“, war ich von ihren Stimmen und Worten bezaubert. Stimmen, die sich nicht besonders lang verstellen konnten, während unseres Gesprächs brachen und zu ihrer ursprünglichen Tonlage zurückkehrten. Akzente von überall, die Englisch, Französisch oder Spanisch sprachen und mir von Magie, Hexen, guten Feen und Prinzessinnenträumen erzählten.

27 von ihnen kamen aus aller Welt ins Studio, und gemeinsam mit dem großartigen Klangkünstler Frédéric Sanchez nahmen wir sie direkt nach dem Fotoshooting im Studio auf. Akzente von überall, die Englisch, Französisch oder Spanisch sprachen und mir von Magie, Hexen, guten Feen und Prinzessinnenträumen
Es war verblüffend.
Die Installation wird also ein großer quadratischer/rechteckiger Raum. Die Porträts blicken den Besucher an. Eine kreisförmige, hypnotische Klanginstallation folgt dem Besucher auf seinem Weg durch die Ausstellung. Doch wenn man in der Mitte des Raumes steht, wird man die Stimme des neuen dritten Geschlechts hören können!
Bettina Rheims 2012"

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