Donnerstag, 13. Juni 2013

Gelesen: A Queer and Pleasant Danger, Kate Bornstein

Kate Bornstein kann man sicher als ein Enfant Terrible der Trans*-Szene bezeichnen. Ihr Schaffen und ihre öffentlichen Beiträge sind durchzogen von der Verweigerung, sich einfach und endgültig einordnen zu lassen. Sie sprengt jede Schublade, und dies mit Lust und Getöse. Eines ihrer neueren Bücher ist denn auch passend betitelt: A Queer and Pleasant Danger. Der ironische Untertitel, der sich in der Umschlaggestaltung rundherum um das Zentrum schlängelt, fasst das Buch fast schon zusammen: "The TRUE story of a nice JEWISH BOY who joins the CHURCH OF SCIENTOLOGY and leaves TWELVE YEARS later to become the LOVELY LADY she is today." (Grossbuchstaben des Originals) Leider klingt die deutsche Übersetzung des Titels und des Untertitels ziemlich steiff ("Ein schädlicher Einfluss") was mich auch dazu bewogen hat, lieber das Original zu lesen. Denn: Wenn der Titel schon so schlecht übersetzt ist, was haben die dann aus dem Inhalt gemacht?

Eines kann man ganz klar sagen: Dies ist ein typisches Buch amerikanischer Populärliteratur. Unterhaltsam, liest sich weg wie Butter in der Sonne, strotzt vor Übertreibungen und ist stellenweise sehr emotional. Mit A Queer and Pleasant Danger legt "Auntie Kate" (wie sie sich in ihren Twitter-Feeds gerne nennt) ihre Memoiren vor. Kernstück ihrer Lebenserinnerungen ist allerdings nicht oder zumindest nicht nur ihre transidente Reise, sondern ihre lange und intensive Mitgliedschaft bei Scientology. Die Einblicke in Scientology, die sie bietet, haben durchaus dazu beigetragen, dass ich das Buch so rasch gelesen habe: Das Spannungsfeld zwischen den rigiden Regeln der Organisation und Bornsteins immer wieder hervorkommenden Unbehagen mit sich selber, die seltsame Art, mit persönlicher Unangepasstheit so umzugehen, dass sie im strengen Ablauf nicht stört - diese ganze schizophren wirkende Situation ist natürlich faszinierend. Dass Bornstein nach ihrer eigenen Schilderung bei Scientology sehr erfolgreich und in den Top-Rängen war,  macht die Sache noch aufschlussreicher. Dieser Teil ihres Lebens nimmt immerhin die Hälfte des Buches ein.

So wenig zurückhaltend Kate in der Schilderung ihrer Scientology-Zeit ist, so schonungslos ist sie im weiteren Verlauf des Buches in der Beschreibung jeden Aspekts ihres Lebens. Man erhält einen sehr intimen Blick in Bornsteins Kämpfe, nachdem sie Scientology verlassen hatte  - nein, nachdem man sie exkommuniziert hatte. Sie war nicht freiwillig gegangen, und stürzte in ein Vakuum wie ein Abhängiger auf Entzug. Aber zugleich war das die Chance ihres Lebens, denn aus dieser Krise heraus konnte sie sich ihrem zentralen Thema stellen, ihrer Transidentität. Wir begleiten Kate im weiteren Verlauf ihrer Memoiren durch diese schwierige Zeit, sehen ihr zu, wie sie ein neues Leben aufbaut, neue Beziehungen eingeht und, last not least, ihre Lust auf BDSM erfüllen kann. Ja, manchmal ist es wirklich sehr intim in diesem Buch. Aber immerhin warnt die Autorin einen vor, so dass man weiss, welche Seiten man überblättern kann, wenn man nicht jedes Detail wissen möchte.

Ein wenig seltsam bei all dieser Intimität finde ich jedoch, dass Kate Bornstein das Buch explizit ihren Enkelkindern widmet und diese am Anfang und am Ende des Buches direkt anspricht. Würde ich wissen wollen, welche sexuellen Abenteuer meine Grossmutter oder mein Grossvater hatte? Nicht so detailliert jedenfalls. Aber gut, es ist Bornstein jedenfalls ein Anliegen, denn sie hofft, mit dem Buch ihre Enkel zu erreichen, die als Scientologymitglieder keinen Kontakt zu ihr haben dürfen. Entsprechend emotional ist der Epilog verfasst. Ich nehme an, die Kinder werden die Memoiren wohl heimlich lesen müssen.

Alles in allem ist "A Queer and Pleasant Danger" aber eine kurzweilige und zuweilen spannende Autobiographie. Wer sich dafür interessiert, wie Trans*-Menschen in den 1980er bis 1990er Jahren zumindest in den USA gelebt und überlebt haben, wird hier ebenfalls fündig.

In der nächsten Rezension stelle ich euch am 26.6. das Buch "Begegnungen auf der Trans*fläche" vor.

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