Mittwoch, 21. August 2013

Gelesen: Das Geschlecht der Seele

Anfang 2013, kurz nach dem TM-Brevier, ist ein Bildband erschienen, den man fast als das "Who-is-Who" der schweizerischen Trans*-Szene bezeichnen kann: Das Geschlecht der Seele: Transmenschen erzählen.

Das war für mich als neu in die Schweiz Zugezogener natürlich auch interessant an dem Buch. Von der "Trans-Prominenz" aber abgesehen zeichnet sich dieses Buch in meinen Augen vor allem dadurch aus, dass die vorgestellten Menschen alle sehr starke Persönlichkeiten sind und sie zugleich eine grosse Bandbreite an Lebensweisen und -entscheidungen repräsentieren. Mir gefällt auch, dass hier mal nicht alles eitel Sonnenschein ist, sondern auch Probleme zur Sprache kommen, die Transmenschen eben gerade auch wegen ihrer Transidentität haben können. Es erscheint dadurch ein gewisser Eindruck einer Ungeschminktheit, Offenheit. Manches, in Bild und Text, kann sogar verstörend wirken, aber da es die Lebensrealität eines Menschen wiedergibt, finde ich dies vollkommen angebracht. Aber sind auch die ganz durchschnittlichen, "unaufgeregten" Leben, wie es an einer Stelle im Buch passend heisst. Die Frauen und Männer und Dazwischenlebenden, die so fürchterlich normal und unauffällig sind. Deine Nachbarn, sozusagen. Und es werden diejenigen vorgestellt, die sich politisch in der Schweiz engagieren und daher ohnehin medial exponiert sind, die quasi die "Erfolgsgeschichten" repräsentieren.

So schön es ist, diese Spannbreite an Menschen kennen zu lernen, liegt in gewisser Weise darin auch eine Schwäche des Buches. Es ist nämlich ein Blick von aussen in Bildern und Texten spürbar, stellenweise so deutlich, dass es schon etwas voyeuristisches hat. Die Texte basieren auf Interviews mit den Abgebildeten, wurden aber von Tanja Polli ausschnittweise in journalistische Artikel eingebettet. Die Texte erinnern mich sehr an den von den Magazinen "Stern" und "Spiegel" geprägten emotional-investegativen Stil, ein bisschen "Oh!" und "Ach?" und "Na sowas, wer hätte das gedacht!" sollen sie schon provozieren. Die Fotografien des Bandes von der bekannten Fotografin Ursula Markus sind sämtlich in Schwarz-Weiss, was dem Buch gestalterisch auf jeden Fall gut tut.  Sie sind inhaltlich und stilistisch allerdings ein wildes Sammelsurium. Man sieht die Absicht der Fotografin, einerseits authentische Portraits anzufertigen, andererseits auch etwas von der täglichen Lebensrealität einzufangen. Das glückt manchmal ganz hervorragend, an anderen Stellen bekommt man den Eindruck, dass die Fotografin an der Manipulativität der dargestellten Person gescheitert ist. Es sind dennoch ansprechende Fotos dabei, doch nur in wenigen konnte die Fotografin die Distanz der Beobachtenden überwinden. Insofern, könnte man sagen, passen die Bilder zu den Texten von Tanja Polli. Leider wird den Fotos noch etwas durch die unschöne Typografie genommen, besonders die Schrifttype der Überschriften ist völlig unpassend.

Das Buch ist im Elster Verlag erschienen, dies aber erst, als es praktisch schon fertig war. Tatsächlich nämlich waren die Autorinnen lange ganz auf sich selbst gestellt und finanzierten das Buch in Entstehung und Produktion aus eigenen Mitteln und durch Zuwendungen von Stiftungen und Privatpersonen. Das zeigt, wie überzeugt die beiden von ihrem Projekt waren. Und so betonte Tanja Polli denn auch bei der Buchpremiere, dass es ihr und Ursula Markus wichtig sei, dass ihr Buch aufkläre und für Akzeptanz werbe.

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